Mithilfe von Job Crafting und der Energiebilanz Methode zu mehr Zufriedenheit im Job
Motivation
Im Rahmen der jährlichen Klausurtagung meines Arbeitgebers (encoway Sommerklausur) habe ich im Mai 2023 zusammen mit unserer Personalentwicklerin einen 2,5-tägigen Workshop zum Thema “Wann hattest Du Dein letztes 1:1 mit Dir selbst? - Selbstführung und Resilienz als Schlüssel zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung” ausgearbeitet und geleitet. Ursprünglich war meine Expertise hinsichtlich Selbstorganisation gefragt, aber wir haben unseren Fokus dann verschoben.
Die Erarbeitung der Workshopinhalte erwies sich letztlich als super spannend, da ich mich intensiv mit den für mich neuen Begrifflichkeiten Positive Psychologie und Job Crafting auseinandergesetzt habe. Meine Kollegin hatte viele Podcasts, Blinks und Literaturempfehlungen für mich parat, die mir den Arbeitsweg versüßt haben.
Ich möchte in diesem Beitrag kurz erläutern was Job Crafting ist und mit der Energiebilanz eine Methode vorstellen, die auch dir helfen kann, deine Zufriedenheit im Berufsalltag zu erhöhen.
Job Crafting
Job Crafting geht von der These aus, dass es den perfekten Job nicht gibt. Vielmehr musst du dir den für dich perfekten Job schaffen. Und wie machst du das?
Zum einen musst du dir deiner Selbstwirksamkeit bewusst werden. Natürlich kannst du darauf warten, dass deine Führungskraft Gedanken lesen lernt und auf dich mit für dich passenden Veränderungsmöglichkeiten zukommt. Das ist selbstverständlich überzogen dargestellt. Viele Unternehmen haben Personalentwicklungsprogramme, die besser oder schlechter funktionieren. Du kannst allerdings auch selbst tätig werden und offen in die Kommunikation gehen und ansprechen, was dich stört oder was dir besonders Spaß macht.
Deine Führungskraft sollte ein Interesse daran haben, dass du zufrieden bist und entsprechend könnt ihr gemeinsam eruieren, welche Möglichkeiten für dich vorhanden sind, um dein Wohlbefinden und damit höchstwahrscheinlich auch deine Effizienz auf der Arbeit zu steigern. Mitarbeitende, die motiviert sind und Spaß an ihren Tätigkeiten haben, arbeiten intensiver und sind bereit mehr zu geben.
Weiterhin solltest du dir im Klaren darüber sein, was du willst und was dir Spaß bzw. keinen Spaß macht. Nichts finde ich schlimmer als Menschen, die sich ständig über etwas beschweren, aber selbst auf Nachfrage keinen Verbesserungsvorschlag parat haben. Also sei stets konstruktiv in deiner Argumentation und handle lösungsorientiert. Deine Führungskraft und Mitmenschen werden dir diese Einstellung hoch anrechnen.
Um herauszufinden welche deiner aktuellen Tätigkeiten dir Spaß machen bzw. wie du diese strukturiert einordnen kannst, kann dir die Energiebilanz Methode helfen.
Energiebilanz
Die Energiebilanz von Rob Baker dient als eine Methode, um Ansatzpunkte für Job Crafting anhand der eigenen Tätigkeiten zu identifizieren.
Energiebilanz von Rob Baker mit Umsetzungsvorschlag von Christian Thiele
Vorbereitung
Du nimmst dir ein DIN A4 Blatt und legst eine Tabelle mit 3 Spalten an. Hier eine Tabelle mit zwei Beispielen:
Tätigkeit | Zeitaufwand [h] | Energie [+10 bis -10] |
---|---|---|
Rechnung stellen | 1 | -5 |
Abstimmungstermin moderieren | 6 | +7 |
Als Erstes listest du 10-20 Tätigkeiten aus deinem Job auf. Anschließend bewertest du den gemittelten wöchentlichen Zeitbedarf in Stunden der einzelnen Tätigkeit und deren Energiebilanz von +10 bis -10. Sprich, gibt dir die Aufgabe Energie (positive Bilanz) oder raubt sie dir diese (negative Bilanz).
Optionale Modifikation
Bei der Erstellung meiner persönlichen Energiebilanz ist mir aufgefallen, dass mir die Dimensionen Zeitaufwand und Energie nicht ausreichen. Ich habe für mich noch eine Spalte für die Relevanz ergänzt. Für mich ist das Stellen von Rechnungen eine Aufgabe, die mir Energie raubt. Gleichzeitig weiß ich aber um die Notwendigkeit und Wichtigkeit dieser Aufgabe, was sie für mich deutlich erträglicher macht.
Falls dir weitere Gedanken zu den einzelnen Aufgaben durch den Kopf gehen, kannst du diese in einer zusätzlichen Kommentarspalte festhalten. Die Tabelle sieht nach meinen Modifikationen wie folgt aus:
Tätigkeit | Zeitaufwand [h] | Energie [+10 bis -10] | Relevanz [0 bis 10] | Kommentar |
---|---|---|---|---|
Rechnung stellen | 1 | -5 | 10 | Am Anfang des Monats direkt erledigen, damit es aus dem Kopf ist |
Abstimmungstermin moderieren | 6 | +7 | 7 | - |
Visualisierung
Basierend auf deiner Bewertung verortest du die einzelne Tätigkeiten (z.B. ein Post-Its pro Aufgabe) nun auf einem Graphen. Auf der Abzisse (x-Achse) stellst du den Zeitbedarf von links=gering nach rechts=hoch und auf der Ordinate (y-Achse) die Energie dar. Energiespendende Aufgaben befinden sich oberhalb der Nulllinie, energieraubende Aufgaben unterhalb. Damit hast du für dich auf einen Blick ersichtlich, welche Aufgaben dir Spaß machen und welche dich nerven.
Ableitungen
Du hast mittlerweile erfolgreich den Status Quo festgehalten. Jetzt folgt der spannende Teil! Was sind deine Schlussfolgerungen aus deiner persönlichen Energiebilanz? Dazu solltest du dir 2 Quadranten ganz besonders anschauen.
Der Quadrant links oben zeigt die Energiegeber, mit denen du wenig Zeit im Arbeitsalltag verbringst. Sie werden auch als heimliche Tankstellen bezeichnet. Gibt es Möglichkeiten, dass du diese Aufgaben häufiger ausübst? Vielleicht gibt es ja Kolleg:innen, die sich freuen, eine solche Aufgabe abgeben zu können.
Der zweite Quadrant befindet sich rechts unten und stellt die zeitintensiven Energieräuber dar. Hier ist der Hebel für eine Verbesserung deines Wohlbefindens besonders groß. Kannst du vielleicht eine Aufgabe an eine Person delegieren, die daran Spaß hat? Stört dich eventuell nur die Art der Umsetzung und es gibt einen anderen Weg das gleiche Ziel zu erreichen? Eine weitere Möglichkeit ist es deine Sichtweise bzw. Haltung zu einer Aufabe zu ändern. Dafür hat mir bspw. die Relevanz als weitere Dimension einer Aufgabe geholfen. Dies habe ich weiter oben am Beispiel der Aufgabe Rechnung stellen erläutert.
Selbst wenn du ad hoc nichts am Status Quo ändern kannst, so hilft es auf jeden Fall sich diesen bewusst zu machen und dir visuell aufzubereichen. Zeige diese Übersicht doch mal deiner Führungskraft und überlege gemeinsam mit ihr, ob es Chancen für Veränderung gibt.
Arbeitsmaterialien
Für unseren Workshop habe ich nachfolgende Arbeitsblätter mit Theorie zu Job Crafting und der Energiebilanz als praktischem Teil erstellt. Nutze diese gerne für dich, um einmal deine Tätigkeiten einzusortieren.
Material:
Job Crafting: Theorie und Praxis mit Energiebilanz
Energiebilanz: Aufgabenstellung und tabellarische Auflistung der Tätigkeiten
Energiebilanz: Graph für Visualisierung der Tätigkeiten
Zusammenfassung und Fazit
Job Crafting stellt eine Art Einstellung zur eigenen Arbeit dar, indem du selbst die Zügel in die Hand nimmst und aktiv deinen Job gestaltest, um zu mehr Zufriedenheit im Arbeitsalltag zu gelangen. Die Energiebilanz Methode ist ein Hilfsmittel, das dich dabei unterstützt, Potenziale in deinen Tätigkeiten zu ermitteln und somit Hebel für eine Veränderung aufzudecken.
Eventuell geht es dir so wie mir und du hast bereits in der Vergangenheit Veränderungen in deinen Job eingesteuert, ohne dass du von dem Begriff Job Crafting gehört hast. Meine Energiebilanz hat mir dabei verdeutlicht, dass ich auf dem richtigen Weg bin, indem ich einen Überschuss an Energiegebern zu Energienehmern in meinen Tätigkeiten habe. Das merke ich auch daran, dass ich morgens gerne aufstehe, um zu arbeiten. Ich hoffe, dir geht es genauso oder du hast jetzt zumindest ein Hilfsmittel an der Hand, um an den richtigen Stellschrauben anzusetzen und legst los!
Quellen
Christian Thiele: Job Crafting konkret mit dem PERMA-H-Modell (2023)
Christian Thiele: Job Crafting - was es ist, bringt und wie und wieso Führung es fördern sollte
Bildverweise:
- Foto von Andre Hunter auf Unsplash